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6. Juni 2024

PsyConversion in Costumer Journeys

Wie wir psychologische Ansätze der Entscheidungstheorie nutzen, um Abschlussstrecken zu entwickeln.

  • Text : Dennis Schröder
  • Lesedauer : 4 Minuten

Die Theorie der Entscheidungsfindung ist mittlerweile gut erforscht und erfuhr in den Publikationen von Daniel Kahnemann große Bekanntheit. In seinem Buch und internationalen Bestseller „Schnelles Denken, Langsames Denken“ legt Kahnemann den psychologischen Meilenstein, dass der Mensch doch nicht so frei in seinem Willen entscheidet, wie gerne geglaubt wird, sondern Entscheidungen tief evolutionär in uns Menschen verankert sind und überwiegend unterbewusst getroffen werden. Kahnemann stellte fest, dass der Mensch im Wesentlichen zwei Entscheidungssysteme in sich trägt, nämlich ein intuitives System und ein rationales System. Ferner stellte er fest, dass der überwiegende Teil unserer Entscheidungen, also ca. 95 %, mit dem intuitiven System getroffen werden und nur 5 % mit dem rationalen System, von dem wir lange glaubten, das dominierende System zu sein. Das Ergebnis verwundert bei genauerer Betrachtung nicht und ist u. a. auf eine kognitive Trägheit bei komplexen Sachverhalten zurückzuführen – unser Gehirn beschäftigt sich einfach nicht gerne mit schwierigen Dingen, zu denen auch der Abschluss einer Versicherungspolice gehört. Diese Erkenntnisse helfen uns ebenfalls dabei, bessere Customer Journeys zu entwickeln.

Die logische Fortführung Kahnemanns Erkenntnisse wurden von Philipp Spreer in seinem Werk „PsyConversion“ beschrieben. Er übertrug die Entscheidungstheorie auf einen ökonomischwirtschaftlichen Kontext und identifizierte bestimmte „Patterns“ (engl. Muster), nach denen Menschen im Wirtschaftsumfeld Entscheidungen treffen, und beschrieb deren Wirkungsweise und Stärke. Möchte man die Frage beantworten, was PsyConversion ist, könnte es als die Methode verstanden werden, die uns zeigt, wie wir Entscheidungen treffen und welche (Verhaltens-) Muster (engl. Behavioral Patterns) hierbei genutzt werden. Unsere Entscheidungen werden überwiegend intuitiv getroffen, unterliegen Verzerrungen und basieren auf Heuristiken („Faustformeln“), die uns helfen, komplexe Sachverhalte mit relativ wenig kognitivem Aufwand („Hirnpower) und in kurzer Zeit zu bewältigen.

Als wir unsere Online-Abschlussstrecken überarbeiteten, suchten wir nach einer Methodik, anhand welcher wir messbare und kundenzentrierte Designkomponenten entwickeln können, und verfolgten dabei klare Ziele:

  • Einheitlicher Aufbau und Verschlankung

  • Systematische und wissenschaftlich fundierte Entwicklung von digitalen Elementen in der Abschlussstrecke

  • Verständliche und einfache Darstellung von Inhalten, sodass Menschen ohne Vorkenntnisse eine gute Kaufentscheidung treffen können

  • Ergründung von Bedürfnissen und – wenn möglich – individuelle und dynamische Ausspielung von Inhalten

  • Überblick über die Dauer des Abschlusses (Guidance)

Der PsyConversion Ansatz überzeugte uns in unserem Vorhaben, Abschlussstrecken zu entwickeln, die leicht und ohne Anstrengung bedient werden können, da er auf die intuitive Entscheidungsfreude der anwendenden Person einzahlt. Das kann jeder auch einmal für sich selbst testen. Stellt man beispielsweise die Frage: „Was ist die Hauptstadt von Österreich“, kann schnell mit der Antwort „Wien“ reagiert werden. Fragt man allerdings nach „den mittleren vier Stellen der IBAN“, laufen andere Denkprozesse (rationales System) ab, die einerseits anstrengend sind und andererseits vielleicht überhaupt keine Antwort hervorrufen, ohne eine weiterführende Recherche auf der Bankkarte durchzuführen.

Aber wie sieht das konkret im realen Kotext aus?

Ein kleines Beispiel bildet die Kfz-Pkw-Versicherung. Es macht einen großen Unterschied, ob ich Anwender auffordere „Bitte wählen Sie einen passenden Geschäftsvorfall aus“ und anschließend n-Möglichkeiten zur Auswahl stelle, oder die Frage „Was führt Sie zu uns?“ stelle und die Auswahlmöglichkeiten ebenfalls als Frage abbilde:

  • Ich habe ein Fahrzeug gekauft und möchte es versichern“

  • „Ich habe bereits ein Fahrzeug und möchte die Versicherung wechseln“

Im gezeigten Beispiel greifen wir die Grundlegende innere Frage auf, weshalb Kunden überhaupt in die Abschlussstrecke eingestiegen sind – nämlich weil eine Versicherung für das eigene Fahrzeug gesucht wird – und geben ihnen die notwendige Orientierung.

Social Proof: Realität ist, was andere tun

Wenn uns eine Entscheidung schwerfällt, schauen wir uns an, wie sich andere (Peers) in einer vergleichbaren Situation entschieden haben. Dadurch assoziieren wir einen Wissensvorsprung anderer und erleichtern uns selbst die eigene Entscheidung. Aus diesem Grund wirken Ratings, Empfehlungen und sog. Testimonials besonders stark. Dies waren nur wenige Beispiele aus einem großen Baukasten von Werkzeugen, die bei der Entwicklung von Abschlussstrecken unterstützen, denn die PsyConversion Methode ist keine Universalformel, die mit einem einzigen Hebel eine große Auswirkung auf die Customer Journey hat, sondern vielmehr viele kleine „Nudges“ (engl. Stupser) liefert, die in ihrer Gesamtheit wirken.

Zuletzt möchte ich mich noch der ethisch-moralischen Frage annähern, denn bei den einen oder anderen Lesern könnte nun der Gedanke aufkommen, dass durch die Entscheidungslenkung gezielt ein manipulatives Kundenverhalten begünstigt wird. Allerdings sei angemerkt, dass die Methodik einen im Sinne der Kunden positiven Ausgang voraussetzt, damit nachhaltig bessere Entscheidungen getroffen werden können. Ferner ist es auch wichtig zu wissen, dass relevante Entscheidungen immer in einem Zusammenspiel von beiden Entscheidungssystemen (rational und intuitiv) getroffen werden und impulsive Entscheidungen vom rationalen System übersteuert werden können.

Zusammengefasst kann also gesagt werden, dass Entscheidungen oft schnell und intuitiv getroffen werden wollen, diese letztendlich aber nicht rational abgewogen sind – ein Teil unseres Gehirns möchte es sich einfach leicht machen. Ob diesem Impuls nachgegeben wird, „entscheiden“ wir aber tatsächlich selbst.

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